Grammophon

Von der Wiese ins Gasthaus

2007 setzen sich vier junge Wattner eine Idee in den Kopf: Sie wollen auf ihrer Lieblingswiese ein Festival veranstalten. Die Idee wird Wirklichkeit. Fünfzehn Jahre später blickt der daraus entstandene Kulturverein Grammophon auf 600 Freiwillige zurück, auf Tausende von ehrenamtlichen Arbeitsstunden und auf rund 200 Veranstaltungen. 2020 wird ein neues Kapitel aufgeschlagen: Im Gasthof Neuwirt entsteht ein Kultur- und Gemeinschaftshaus.

Aller Anfang

Wir schreiben das Jahr 2007: Für die neue Sporthalle der Gemeinde muss die Wiese hinter der Volksschule im Höralt weichen. Jahrzehntelang war sie ein Spielplatz für unzählige kleine und große DorfbewohnerInnen. Als die Baupläne bekannt werden, beschließen vier junge Erwachsene, der Spielwiese und der alten Turnhalle mit einem rauschenden Fest Lebewohl zu sagen. Das Wiesenrock Festival ist geboren. An einem sommerlichen August-Tag kommen über 1.000 Menschen zusammen. Dreizehn Tage später fahren die Bagger auf.
Die Wiese ist Geschichte, Wiesenrock hingegen wird es noch eine Weile geben. 2009 gründet ein verbliebener Festivalveranstalter gemeinsam mit anderen den Kulturverein Grammophon. Nicht nur einmal im Sommer, sondern das ganze Jahr über soll etwas passieren.

Grammophon im Neuwirt

2014 holen die Vereinsmitglieder den alten Festsaal im Gasthof Neuwirt aus seinem Dornröschenschlaf. 1909 errichtet, war er fast ein Jahrhundert lang – bis Ende der 1990er Jahre – ein wichtiger Ort für das Dorfleben. Auf der Suche nach einem stimmigen Veranstaltungsraum stößt Grammophon darauf und wird aktiv: Konzerte, Theater, Kabarett, Vorträge und Workshops bringen neues Leben in den Neuwirt und einen einzigartigen Wirtshaussaal zurück ins öffentliche Bewusstsein. Auch von anderen Gruppen wird er seitdem wieder regelmäßig genutzt. 2017 beendet Grammophon seine Arbeit im Neuwirt. Die Zeit ist noch nicht reif.

Krämerei und Teilzeitstelle

Mit finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand und privater Geldgeber kann  der Verein im Jahr 2016 eine hauptamtliche Stelle mit 20 Wochenstunden schaffen. Damit bekommen die vielfältigen Vereinsaufgaben einen strukturellen Unterbau. Ehrenamtliche können freigespielt und die Rahmenbedingungen für Kulturarbeit professionalisiert werden. Im selben Jahr bezieht Grammophon ein eigenes Büro samt Vereinslokal: Unter dem heimeligen Gewölbe der ehemaligen Krämerei Anna Stecher finden beschauliche Wohnzimmerkonzerte, gesellschaftspolitische Filmabende und ein Deutschkurs statt.

Mehr aufs Weniger

Nur ein gutes Jahr später muss Grammophon wegen Geldmangels aus der Krämerei ausziehen und die Stelle auf 15 Stunden reduzieren. Statt eines dichten Kulturbetriebs mit im Jahr bis zu 60 Veranstaltungen an verschiedenen Orten setzt man nun auf weniger und dafür bewusster begangene Projekte. In der ehemaligen Gießerei der Oberen Fabrik wird die Konzertreihe Megaphone gegründet: An jedem Abend steht ein anderes Rockgenre im Mittelpunkt. Verstärkt kommt es nun auch zu ortsbezogenen Projekten. In Zusammenarbeit mit der Fotografin Verena Nagl wird Ortsgeschehen geboren, das der tieferen Bedeutung von Alltagsorten nachspürt – unter dem Thema Schonzeit wird 2018 das Wattener Alpenbad bespielt. Das Gemeindelabor wiederum erkundet 2017 gemeinsam mit der Innsbrucker Bäckerei Kulturbackstube, wie Kultur mit Regionalentwicklung zusammengehen kann.

Nachhaltig veranstaltet

Im selben Jahr findet das Wiesenrock Festival zum zehnten und letzten Mal statt. Ursprünglich als einmaliges Abrissfest gedacht, gelangte es mit den Jahren zu österreichweiter Bekanntheit. 2010 übersiedelte es in den Hauptschulhof und damit mitten ins Dorf. Das Musikfestival wandelte sich bald zu einem vielfältigen Ereignis. Neben der Hauptbühne im Innenhof wurde der frei zugängliche Vorplatz mit Straßenspielen, einem breiten kulinarischen Angebot und detailreicher Gestaltung zu einem beliebten Treffpunkt für Jung und Alt aus Nah und Fern. Ab 2013 wurde Wiesenrock zum Vorreiter in nachhaltiger Veranstaltungsorganisation in Tirol. Es wurde erster Green Event Tirol Star, zweimal mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet und erhielt einige weitere Anerkennungen und Preise.

Herz, Hirn, Hand

Seit 2007 haben sich bei Grammophon und Wiesenrock insgesamt rund 600 Freiwillige engagiert. Sie organisieren Projekte, helfen bei Veranstaltungen mit und halten den Verein in Schwung. Dabei werden jährlich bis zu 7.000 Arbeitsstunden geleistet.

Ein Kulturhaus für die Region
2020 kehrt Grammophon in den Neuwirt zurück. Nun auf einem anderen inhaltlichen Fundament stehend, baut der Verein dort über die kommenden Jahre ein regionales Kultur- und Gemeinschaftshaus auf. Rund um den geschichtsträchtigen Saal entsteht ein Ort für Gemeinwohl und kulturellen Wandel. Das ganze Jahr hindurch werden qualitative Situationen für menschliche Begegnung geschaffen. Die Startrampe  wiederum fördert zivilgesellschaftliche Selbstorganisation: Grammophon unterstützt Menschen dabei, ihre eigenen Ideen für das Dorf und die Region zu entwickeln und umzusetzen.

Mit fünfzehn Kulturarbeitsjahren, über 200 Veranstaltungen an über 20 Orten in der Gemeinde, einem großen Beziehungsnetz und Tausenden von Arbeitsstunden im Gepäck macht sich Grammophon auf zu neuen Ufern.